4000 Meter bis zum Grund
Für alle die die lieber zuhören und abschalten ↓
Es lief alles nicht nach Plan. Warum auch, das wäre ja langweilig. Wir hatten zwei anstrengende Nachtfahrten hinter uns, in denen auf den letzten Meilen der Motor ausgegangen ist und wir sieben Stunden lang in den Hafen segeln mussten. Trotzdem checkten wir das Wetter für die nächsten Tage auf der Biskaya aus. Alles passte, außer unsere Vorbereitung auf vier Tage und drei Nächte Überfahrt. Wir haben uns trotzdem dafür entschieden die Müdigkeit zu ignorieren und das Wetterfenster zu nutzen.
Das erste mal längere Zeit ohne festen Boden unter den Füßen zu haben, ohne das es aufhört durchgehend zu schaukeln. Ich war sehr aufgeregt und hatte großen Respekt vor dieser Etappe. Eine Strecke von 511 km durch eine Gegend, die für ihre Stürme bekannt ist. Umso mehr hat es mich beruhigt, dass uns verhältnismäßig wenig Wind erwarten sollte.
Mit dem Wind im Rücken
Der Anfang hat uns wieder viel Sprit gekostet. Wir hätten natürlich auch mit einem Knoten Schnelligkeit rumdümpeln können, jedoch mussten wir unseren Zeitplan einhalten, um am Ende nicht in einen Sturm zu segeln. Also schwerenherzens den Motor an und weiter. Die nächsten drei Tage sollten anders aussehen. Nach einigen Stunden, frischte der Wind auf und kam direkt von hinten. Mit sechs bis sieben Knoten Speed schafften wir es schneller als wir dachten von Frankreich bis zur Küste Spaniens. Unendlich glücklich und stolz sind wir dort angekommen, ungläubig es so schnell so weit geschafft zu haben.
Ich sah niemals so einen Sternenhimmel
Das Wetter spielte mit und auch der Wind brachte uns sicher ins Ziel. Aber um ganz ehrlich zu sein, bringt so eine lange Fahrt auch seine Herausforderungen mit. Der Motor brummte die erste Nacht unfassbar laut vor sich hin, wir hatten ein Loch im Auspuff der unter unserm Bett liegt und alles roch nach Abgasen, an Schlaf war eher weniger zu denken. Die Nächte wurden kalt und alles war Nass. Nicht nur auf dem Deck, auch unsere Betten, der Teppich und alle weiteren Klamotten waren klamm und kalt. Die Wellen wurden höher und so schaukelte das Boot irgendwann ziemlich stark hin und her. Und auch die Nachtschichten wurden jeden Abend etwas anstrengender. Das alles sind die negativen Aspekte. Und trotzdem kann ich ohne zu überlegen sagen: Es hat sich gelohnt. Für all die schönen Dinge die wir mitten auf der Biskaya erleben durften, habe ich die kleinen Anstrengungen gerne in Kauf genommen. Ich durfte Erfahrungen sammeln, die mir niemand mehr nehmen kann. Einen Sternenhimmel sehen, der alle die ich je gesehen habe übertreffen konnte. Viele Stunden von Delfinen begleitet werden, die fröhlich in unserer Bugwelle rumflippten. Es war einer der magischsten Momente für mich, als der Erste aus dem Wasser sprang. Sie waren doch größer als ich sie mir vorgestellt habe und haben mir wieder bewusst gemacht, dass wir sehr dankbar sein sollten ihren Lebensraum für unsere Reise nutzen zu können.
Was jedoch für mich am wenigsten begreiflich war, war der Moment, in dem der Meeresgrund unter uns quasi verschwand. Die anfänglichen 150 Meter Wassertiefe verwandelten sich innerhalb kürzester Zeit in 2000 Meter und noch weiter, bis wir irgendwann mit unserm Boot auf vier Kilometer tiefem Wasser schwammen. Einerseits eine verrückte Vorstellung, andererseits für mich garnicht mehr greifbar genug, um es mir überhaupt so richtig vorstellen zu können.
Und auch die Nächte brachten magische Momente mit sich. Wenn man alleine auf dem Deck steht, nichts hört als das Wasser und den Wind in den Segeln, nichts sieht als den Horizont und die Sterne über einem, spürt man das erste mal das Gefühl von purer Freiheit.
So viele Momente, in denen ich nicht glauben konnte, was ich hier tue. So viele wundervolle Augenblicke innerhalb von vier Tagen. Vier Tage, die mir folgendes gezeigt haben: Bei allem was wir falsch machen, machen wir auch Vieles richtig, denn wenn man sich auf irgendeine Art und Weise Mühe gibt, dann wird sich diese auszahlen. Und diesmal haben wir wundervolle Erlebnisse zurückbekommen.
Orcas vor der spanischen Küste
Doch die Ereignisliste sollte noch nicht voll sein. Als der letzte Morgen anbrach, saß ich bei Sonnenaufgang am Steuer, während Jonas und Thilo noch schliefen. Während ich müde den Horizont betrachtete und versuchte nicht zu große Schlangenlinien zu fahren, sprang in weiterer Entfernung ein sehr großes Tier aus dem Wasser. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich einen Orca gesehen habe und weckte euphorisch die Anderen. Wir freuten uns noch eine ganze Weile über den Anblick der immer näher kommenden Orcas, bis wir sie kurz nicht mehr sahen. Allerdings waren sie nicht im weiten Meer verschwunden, sie befanden sich plötzlich unter unserm Boot. Sie schwammen gegen unser Ruder und drehten uns mehrmals im Kreis. Wir hatten jegliche Kontrolle über das Boot an die fünf Orcas abgegeben. Das Steuerrad drehte sich in rasender Geschwindigkeit von alleine nach rechts und links, so kräftig waren die Orcas und wir wussten nichtmal annähernd, wie wir mit dieser Situation umgehen sollten. Erst nach einiger Zeit ließen uns die großen Tiere in Ruhe und hinterließen nichts als ein paar Bissspuren im Ruderblatt. Wieder eine Situation, die wir niemals vergessen werden und die wir uns bis jetzt nicht erklären können.
Die Überquerung der Biskaya war ereignisreich und es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis wir alle Erlebnisse ausreichend verarbeitet und beredet haben.
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