Bekanntschaften die dein Leben bereichern

Alle Vorbereitungen sind getroffen. Wir haben eingekauft, Wasser aufgefüllt und auch sonst alles bereitgelegt. Die nächsten sechs Tage wollen wir auf dem Meer verbringen. Unser Ziel sind die Kanaren. Die längste Strecke ohne Landsicht liegt vor uns und wir sind so vertieft in unsere Gedanken, etwas angespannt und aufgeregt. Lange Zeit haben wir in Lagos festgesessen und sind nun endlich soweit, dass wir anlegen können. Während unserer Zeit hier im Hafen, kam ab und an jemand vorbei und fragte uns, ob wir noch Platz hätten jemanden mitzunehmen. Oft haben wir hin und her überlegt: wollen wir sechs Tage mit einer fremden Person auf so engem Raum wohnen? Wollen wir Verantwortung für jemanden übernehmen? So viele Fragen die zwischen uns zu klären wären. Wir haben so Vieles im Kopf, dass wir nie ernsthafter darüber nachgedacht haben und nie wirklich zu einer Entscheidung gekommen sind.

Am Abend bevor wir los segeln wollten, kam jedoch ganz kurzfristig Lilli vorbei. Wir wollten nur kurz zusammen quatschen und schauen, ob es eventuell passen könnte und wir sechs Tage lang gut miteinander auskommen können. Ich konnte mir erst nicht richtig vorstellen, welche Kriterien jemand erfüllen muss, damit wir eine entspannte Überfahrt zusammen haben. Lilli ist mit ihrem Rucksack in Europa unterwegs und somit ganz flexibel. Nach kurzer Zeit merkten wir direkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind und so entschieden wir ganz spontan zuzusagen. Das machte das Ganze noch viel aufregender und ich machte mir etwas Sorgen, ob alles gut klappen würde.

Im Nachhinein waren all diese Sorgen umsonst. Unsere sechs Tage auf See waren alles andere als anstrengend, wir hatten gute Stimmung, wir haben viel zu erzählen gehabt, haben viel gelacht und uns einfach immer besser kennen gelernt. In manchen Situationen war ich oft sogar erleichtert, dass Lilli da ist und uns Gesellschaft leistet. Meine Nachtschichten waren plötzlich nicht mehr gefüllt mit dem ständigen Blick auf die Uhr, sondern mit langen Gesprächen unter einem unglaublichen Sternenhimmel. Wir verbrachten den ganzen Tag damit in der Sonne zu liegen, verschiedenste Gerichte zu kochen und einfach die Zeit auf dem Meer zu genießen. Ich werde diese Tage positiv in Erinnerung behalten und bereue die Entscheidung mit jemand Fremden los zu fahren überhaupt nicht.

Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass es gefährlich ist in seiner eigenen kleinen Blase bleiben zu wollen, nicht weiter über den Tellerrand zu schauen. Wir haben uns im Voraus so viele Gedanken und Sorgen gemacht, dass wir uns fast darum gebracht hätten neue Menschen in unser Leben zu lassen. Doch dafür ist diese Reise schließlich da, wir wollen nicht nur die Natur und die Orte entdecken, sondern auch neue Bekanntschaften machen. Menschen kennenlernen, an die wir uns erinnern können, die uns ihre Sicht auf die Welt erzählen und von denen wir noch lernen können. Wir sind nicht unzufrieden zu dritt und wir reisen gerne so zusammen, doch wenn man so lange Zeit auf kleinem Raum ist, hat man sich irgendwann nicht mehr so viel zu erzählen wie zuvor. Lilli hat frischen Wind in unsere Reise gebracht und die Überfahrt zu einer ganz besonderen gemacht.

Wir müssen einfach lernen „Ja“ zu sagen, nicht alles tot zu denken und uns nicht unbewusst zu verschließen, denn meistens lässt uns unser Bauchgefühl nicht im Stich und so war es auch hier. Wir haben direkt gemerkt, welche Person für diesen Zeitraum zu uns passen kann und haben trotz den anfänglichen Zweifeln zugesagt. Ich weiß nicht, wie es geworden wäre, hätten wir jemanden mitgenommen, mit dem wir nicht so gut ausgekommen wären, jedoch muss man sich entscheiden, was einem wichtiger ist. Denn immer auf Nummer sicher zu gehen, kann einem Vieles vorenthalten und verhindern, dass wir Erfahrungen machen können, die unser Leben bereichern.