Alles was du hast, hat irgendwann dich

Ich habe viele Sätze meines Vaters im Kopf, weiß genau was er zu welcher Situation sagen würde, doch dieser Satz ist mir seit wir hier an diesem Ort sind ausgesprochen oft in den Kopf gekommen. Galinhos, ein ungewöhnlicher Ort, bevor wir hier ankamen wussten wir, wie so oft, nichts über ihn. Wir waren mal wieder viel zu viel beschäftigt mit dem Planen unseres nächsten Segelturns und mit allem was drum herum passieren muss, damit wir sicher und entspannt in Galinhos ankommen würden. Und plötzlich ankerten wir in einem Fluss direkt vor dem winzig kleinen Ort. 2.900 Einwohner wohnen auf dieser Halbinsel. Der einige Land-Zugang zu diesem Ort ist eine lange Sanddüne, welche man nur mit ganz bestimmten Autos befahren kann. Alles was die Menschen hier besitzen jeder Gegenstand, jedes Lebensmittel, einfach alles muss entweder über die Düne oder mit einem Boot übers Wasser hier hin gebracht werden. Nachdem wir nach zwei Tagen segeln hier ankamen gingen wir an Land. Verwöhnt vom letzten Hafen in Natal suchten wir verzweifelt alle Strände nach einer Dusche ab, doch alle Wasserquellen die wir finden konnten, bestanden aus Salzwasser. Wir kauften uns im Laden also Trinkwasser und wunderten uns über den hohen Preis für eine Flasche Wasser. Erst nach einiger Zeit fanden wir heraus, dass die Menschen die hier leben über keinen Anschluss zum Süßwasser verfügen. Sie duschen, waschen und gießen tagtäglich mit Salzwasser, aus jedem Hahn und in jedem Pool befindet sich salziges Wasser. Die Menschen kennen es nicht anders, sie haben sich daran gewöhnt, es stört sie nicht, dass das Salz auf ihrer Haut und in ihren Haaren klebt und ich begriff, dass auch wir keine Süßwasserdusche brauchen um zu leben. Und genau so funktioniert hier das Leben mit allem anderen auch. In den Läden dieses Ortes können wir alles kaufen was wir zum Leben brauchen, es gibt zwei drei winzige Lebensmittel-Läden und eine Hand voll Restaurants, eine kleine Krankenstation eine paar Gemüseverkäufer:innen, ein oder zwei Läden wo man etwas zum anziehen kauft und ein Friseurstudio. In all den Läden gibt es keine große Auswahl, sondern einfach das, was die Menschen hier brauchen. Ich verstand, dass es hier nicht um die Dinge geht die man haben oder kaufen kann, und diese Mentalität übertrug sich auf uns. Wir kamen aus der Großstadt Natal, wo wir vor der Abfahrt fast jeden Tag irgendwelche Besorgungen machten und uns tagtäglich überlegten, was wir brauchen und kaufen müssen. Erst hier hörte dieser Wahnsinn auf, wir wussten, dass wir hier alles bekommen können, was wir zum leben brauchen, viel mehr jedoch nicht. Ich lernte, dass es an diesem Ort mehr um den Tag an sich geht, als um das was man an einem Tag kaufen kann, die Menschen kennen sich gegenseitig sie sitzen tagtäglich alle zusammen und verbringen ihre Zeit gemeinsam, der Strand ist jeden Abend voll mit Kindern und Familien, die Menschen sind fröhlich und freundlich, sie lachen viel, sie sind offen und hilfsbereit und obwohl hier niemand viele materielle Dinge besitzt wirken die meisten unglaublich zufrieden mit dem was sie hier haben. Denn es reicht, sie haben diesen Ort, sie haben sich, das Meer den Strand die täglichen Sonnenuntergänge, Musik, gutes Essen… all diese Dinge die uns, wenn wir uns zu sehr auf materielle Dinge konzentrieren, nicht mehr auffallen, die wir nicht mehr sehen und schätzen können. Und da kommt der Satz meines Vaters wieder ins Spiel „alles was du hast hat irgendwann dich“ (stammt aus dem Film „Fight Club“)

 

Alles was wir vier besitzen befindet sich auf diesem Boot, jeder hat eine kleine Sammlung an Dingen dabei, die ihm wichtig ist und die er braucht. Als wir zurück kamen fingen wir an auszusortieren und ich war erstaunt wie viele Dinge in dieses kleine Boot passen, die wir eigentlich garnicht wirklich brauchen. Wir verschenkten was über war und nahmen mit was wir brauchen (ich schätze es gibt immer noch einen Anteil an Sachen, die wir niemals brauchen werden auf diesem Boot). Und es ist wahr, über alles was wir besitzen müssen wir irgendwann gezwungenermaßen nachdenken, alles was wir kaufen wird einen kleinen Teil von uns einnehmen und uns dazu zwingen darüber nachzudenken wann wir es benutzen, ob wir es wirklich brauchen, wohin wir es tun sollen. Wenn ich daran denke was ich alles für Dinge in meiner Wohnung in Köln in den Schränken hatte für die ich bei meinem Auszug Zeit aufwenden musste um darüber nachzudenken was ich damit anstellen sollte, erkenne ich den Sinn hinter unserm verhalten Zuhause nicht mehr. Dinge machen uns nicht glücklich, solange sie einen Zweck erfüllen der uns den Alltag erleichtert profitieren wir von ihnen, doch sobald wir sie nie nutzen und uns trotzdem um sie kümmern müssen, stehlen sie uns Zeit. Auch ich lasse mich oft dazu verführen etwas zu kaufen nur um es zu besitzen oder um mich über etwas Neues zu freuen, doch ich möchte von diesen Menschen die hier leben lernen, ich möchte lernen, dass ich nicht all den Kram brauche um zu leben, ich möchte lernen nur das nötigste zu besitzen und auf diese Dinge aufzupassen und sie so lange zu verwenden wie ich kann. Ich möchte lernen die Menschen um mich herum, die Natur und das Leben zu schätzen und nicht die Dinge die in meiner Wohnung stehen. Ich möchte nicht mehr meine Zeit damit verschwenden an Dinge zu denken die ich irgendwo habe und nicht weiß wo ich sie hintun soll. Ich möchte weniger darüber nachdenken, was ich alles kaufen könnte, und mehr raus gehen um zu sehen was ich habe, Erfahrungen sammeln, Momente einfangen die mich noch viel länger bereichern können als irgendetwas was ich in einem Laden erwerben kann. 
 

Leonie

Wie ich mit Jonas und Thilo das bis jetzt größte Abenteuer meines Lebens starte und euch auf meiner Gedankenreise mitnehme.

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