Abgeschottet von jeglicher Zivilisation - Fünf Dinge die mich 14 Tage Isolation gelehrt haben
14 Tage lang keinen Kontakt zur Außenwelt, kein Kontakt zu anderen Menschen, keine Nachrichten, keine sozialen Medien, nichts außer die zwei Menschen mit denen ich auf einem Boot sitze und die gefühlt unendliche Weite des Ozeans. Eine Selbstisolation, wie man sie nur mitten in der Natur erleben kann, weit weg von Orten an denen Menschen leben.
Es gab vorher keine vergleichbare Situation in meinem leben, in der ich jemals so abgeschottet war von meinem gewohnten Umfeld, in der ich für so lange Zeit keinen Kontakt zu der Welt aufnehmen konnte, in der ich mich üblicherweise befinde.Es war also eine Herausforderung für mich, viele Kilometer über den offenen Atlantik zu segeln, ihn zu überqueren, um irgendwann auf der anderen Seite anzukommen. Doch ich durfte unglaublich viele Erfahrungen sammeln, die ich mit euch teilen möchte. Ich möchte mit euch teilen, was eine Zeit mit so vollkommen anderen Umwelteinflüssen mit einem macht und welchen Herausforderungen man begegnen wird.
Zeit Sich selbst kennenzulernen
Als wir los gefahren sind, haben wir viel organisiert, wir haben viele Tipps bekommen, Ratschläge, Videos und Texte produziert um während der nächsten Zeit nicht vollkommen von der Bildfläche verschwunden zu sein. Wir haben uns vorbereitet, Essen gekauft, Reparaturen getätigt… kurz gesagt: wir waren in Hektik und hatten kaum Zeit uns man wieder so richtig nur auf uns selbst zu konzentrieren.
Das sollte sich von heute auf morgen ändern. Ab dem Zeitpunkt, ab dem unsere Handys „kein Empfang“ ankündigten, wir kein Internet mehr hatten und das Land nur noch als blassen Schleier am Horizont wahrnahmen, waren wir alleine, alleine mit uns selbst. Auf einmal war es an der Zeit sich selbst kennenzulernen, nachzudenken, in sich reinzuhorchen, Gefühle wahrzunehmen, zu schauen wer man grade in dieser Situation wirklich ist. Man hatte keine Möglichkeiten in die Tiefen des Internets zu flüchten, dort zu stöbern wer man gerne sein würde, anzufangen sich zu vergleichen, sich womöglich schlecht zu fühlen. Nein man musste sich selbst überlegen, welche Werte man vertreten will, wo man selbst im Leben steht. Es war unheimlich erleichternd, nicht von den ständigen Einflüssen der sozialen Medien überspült zu werden. Ganz in Ruhe, Tag für Tag konnten wir unsere eigenen Ideen und Vorstellungen austüfteln, ohne uns von etwas Anderem inspirieren zu lassen als von unserer eigenen Gedankenwelt.
Zeit für die kleinen Dinge im Leben
Wir haben uns vorher natürlich ein paar Gedanken dazu gemacht, was wohl passieren würde wenn Langeweile aufkommt. Und natürlich hatte man auch irgendwann keine Lust mehr zu reden oder ständig in den eigenen Gedanken rumzuwühlen. Und so blieb anders als Zuhause oder auch anders als bisher an jedem anderen Ort endlich Zeit, für die kleinen Dinge, die einem Freude bereiten. Für die Dinge über die man immer sagt man würde sie gerne tun, aber welche man dafür viel zu selten beachtet. Ich lese für mein leben gerne, doch kämpfe ich an Land ständig mit dem Druck etwas „produktiveres“ machen zu müssen, als mich in eine ausgedachte Geschichte zu vertiefen. Ein völlig überflüssiger Gedanke, das weiß ich, doch kostet es viel Energie diesen zu überwinden, wenn man so viele Möglichkeiten an Dingen um sich herum hat, die man alle tun könnte.
Nur auf sich selbst gestellt sein
Ich bin sehr behütet aufgewachsen und selbst als ich damals in eine große Stadt gezogen bin und meine erste eigene Wohnung bezogen habe, war ich nie so richtig auf mich selbst gestellt. Wann ist man eigentlich auf sich selbst gestellt? Eigentlich nie so richtig, wenn man nicht grade abseits jeglicher Zivilisation unterwegs ist, denn es wird immer Jemanden geben, der dir helfen kann. Außer eben du befindest dich mitten auf dem Atlantik, wo es völlig egal ist was du tust, da Jeder der kommen möchte mehrere Tage zu dir hin brauchen wird. Es war ein großartiges Gefühl plötzlich die Auswirkungen unseres eigenen Handelns wahrzunehmen. Zu sehen, dass Niemand als wir selbst verantwortlich dafür sind was getan wird, wo das Boot hin fährt, wie schnell wir fahren, wo wir ankommen… Niemand anderes als wir selbst und das Wetter natürlich. Das erste mal in unserm Leben konnten wir ausschließlich nach unsern selbst gesetzten Regeln und Prinzipien leben, ohne jemandem auf die Füße zu treten, der diese nicht vertritt oder der eine andere Regel aufgestellt hat.
Auf einmal fühle ich wie riesig unser Planet wirklich ist
Kurz bevor wir ankamen habe ich zu Jonas und Thilo gesagt: „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass da in ein paar Stunden auf einmal Land auftauchen soll“. Und das war der Moment, in dem ich darüber nachgedacht habe, wie unfassbar riesig dieser Planet ist, man kann viele Tage in die selbe Richtung fahren, ohne irgendwo anzukommen. Es gibt einfach so riesige Flächen, auf denen nichts und niemand ist, außer die Natur. Orte, die einfach so die ganze Zeit existieren, ganz ohne uns, jetzt, morgen und wenn wir nicht wären wahrscheinlich auf noch viele viele Jahre länger.
Und doch gab es Momente, in denen ich mich aus dieser Situation heraus gewünscht habe. Momente in denen ich erschöpft war, vom ewigen alleine sein, vom ewigen blau, in denen ich Angst hatte plötzlich ganz allein auf dieser Welt zu sein. Es gab tatsächlich oft das Gefühl, als wären wir die einzigen Personen auf dieser Erde, als wären wir die Letzten hier. Und das war gruselig, ich habe in solchen Moment viel an Zuhause gedacht, an meine Familie an schöne Zeiten mit anderen Menschen. Ich habe es vermisst, meinen Freunden zu erzählen wie es mir geht und zu hören wie es ihnen geht. Es war ein Entzug an sozialen Kontakten.
Die eigene kleine Blase
Und das führt zu dem Punkt, den wir alle gespürt haben. Wenn man nur seine eigene Meinung im Kopf und die Meinung von zwei vertrauten Personen um sich herum hat, kann es schnell dazu führen in seiner eigenen kleinen Blase zu schweben. Wie soll man merken, wenn man in eine falsche Richtung denkt, wenn man so wenig andere Argumente zum Vergleich nutze kann. Man wird sich schnell verrennen, nicht merken, dass der eigene Horizont sich nicht mehr erweitert, denn das tut er nur, wenn man neue Erfahrungen und neue Stimmen hereinlässt. Man denkt nur für sich Tag für Tag.
Viel zu viel Zeit zum nachdenken
Und abgesehen von dem Aspekt, dass es toll ist über seine eigenen Werte und Vorstellungen nachzudenken fängt man gleichzeitig auch an die Dinge totzudenken. Plötzlich kann man Stunden lang nur dort sitzen, vor sich hin starren und nachdenken. Manchmal hatte ich plötzlich ganz abstruse Ängste die daher kamen, dass ich viel zu viele Gedanken im Kopf hatte, die mich auf ganz neue verrückte Vermutungen gebracht haben. Und auch in den Momenten, in denen ich genug vom „auf dem Meer sein hatte“, hat mir das Denken das Leben erschwert. Wie oft hab ich verzweifelt dagesessen und mir vor Augen geführt, wie viele Tage wir noch segeln würden. Wie viele Tage ich noch auf das Land warten müsste, es hat mich völlig in die Enge getriebene mir das auszumalen und darüber nachzudenken was noch vor mir liegen könnte.
Diese Zeit der völligen Abschottung, hatte Einiges offenbart, was wir im Alltag öfter integrieren sollten oder was wir uns bewusst machen sollten, weil es nicht gut für uns ist. Natürlich kann man nicht von heute auf morgen hergehen und sagen, ich isoliere mich nun zwei Wochen lang von der Außenwelt, und deshalb schreibe ich diesen Blog. Um euch ein wenig davon mitzugeben, was ich dort draußen gelernt habe. In der heutigen stark von digitalen Medien dominierten Gesellschaft sollten wir uns öfter mal daran erinnern, wie wichtig es ist sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Für kurze Zeit am Tag das Handy oder den Laptop weg zu legen und sich ohne jeglichen Vergleich darauf zu konzentrieren, sich zu überlegen, wer man selbst wirklich ist, welche Werte man vertreten möchte und was man wirklich im Leben für sich erreichen will. Denn auch wenn man im Internet viel Inspirationen findet, braucht man einen stillen Moment, in dem man diese Inspirationen mit seinen eigenen Ideen abgleichen kann. Und wenn man schonmal dabei ist, so kann man sich auch gleich danach die Zeit nehmen, für die Dinge die man eigentlich gerne tut, aber nie die Zeit dafür findet. Ich bin mir sicher, das viele Menschen 10 Minuten am Tag opfern könnten um endlich mal wieder einem Hobby nachzugehen. Egal wie effizient dieses ist, einfach nur für sich selbst, für niemand anderen.
Ich weiß, dass wir uns grade in einer Zeit befinden, in der das Gefühl von Isolation eine große Rolle spielt. In der es nicht ausbleibt, in seiner kleinen Blase gefangen zu sein oder zu viel Zeit zum Nachdenken zu haben. Doch andere Meinungen bekommen wir nicht nur von Freunden und Familie die wir möglicherweise grade garnicht sehen dürfen. Auch fremde Personen können einen oft auf ganz neue Ideen und Wege zu denken bringen. Podcasts, Hörbücher oder einfach das gute alte Buch enthalten so unglaublich viele Informationen zu den verschiedensten Themen. Wenn du dir nicht sicher bist mit deiner Meinung, wenn du mehrere Stimmen brauchst um dich zu orientieren, dann gibt es die Möglichkeiten sich dazu noch viel mehr anzuhören oder anzuschauen. Denn so wie Jim Rohn sagt: „bist du immer der durchschnitt von den 5 Menschen mit denen du am meisten Zeit verbringst“ und wenn es grade weniger als die sind, lass einfach ein gutes Buch dir helfen, deinen Horizont immer größer werden zu lassen und lass nicht zu, dass du dich nur in deiner eigenen kleinen Blase aus Meinungen befindest.
Die ein oder andere Erkenntnis aus dieser Zeit scheint sich vielleicht auszuschließen, doch wie immer macht’s die Mischung. Auch ich kann mich ständig dabei zu sehen, wie schwer es mir fällt mich an meine eigenen Erkenntnisse zu halten, doch umso öfter man sich das in den Kopf ruft was man gelernt hat, umso besser wird man werden. Meine Gedanken sollen nur eine Möglichkeit sein, uns selbst gezielter zu reflektieren oder das ein oder andere Ritual mal in den Alltag einzubauen.
Was 14 Tage Isolation einen lehrt:
Wir sollten mehr Zeit ohne digitale Medien verbringen um herauszufinden was die eigenen Werte sind. Wir können uns natürlich inspirieren lassen, sollten aber nicht das Leben Anderer Leben sondern müssen rausfinden wer wir selbst sind.
Es ist wichtig ein paar Minuten des Tages zu opfern für die Dinge die man gerne macht egal ob sie produktiv sind oder nicht. Es hilft uns abzuschalten und danach können wir mit neuer Energie weiter machen.
Wir sollten die Gedanken manchmal für kurze Zeit vollkommen ausschalten, die Spirale unterbrechen und uns nicht zu stark in Dinge reinsteigern die sich nur in unseren Köpfen abspielen. Einfach kurz stoppen, durchatmen und bewusst wahrnehmen, dass wir zu viel Denken.
In Zeiten von Isolation sollten wir versuchen der eignen kleinen Blase aus Meinungen zu entkommen und den Horizont größer werden zu lassen indem wir mehr Stimmen hereinlassen. Diese Stimmen müssen nicht nur von Menschen aus unserem näheren Umfeld kommen, es gibt viele Möglichkeiten heutzutage.
Nachdem wir Situationen gemeistert haben, in denen wir auf uns alleine gestellt waren, fühlen wir uns stärker. Vielleicht sollten wir in dem ein oder anderen Moment einmal innehalten bevor wir uns Hilfe suchen und schauen ob wir nicht doch irgendeinen Weg finden alleine zurecht zu kommen und eine eigene Lösung für das Problem zu finden.
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