„Wird die Frau unter den Männern geteilt, oder wie läuft das ab?“

Für alle die, die lieber zuhören und abschalten ↓

„Wird die Frau unter den zwei Jungs geteilt oder wie läuft das so?“

„Es ist gut, dass du die Bilge ausgeputzt hast, dazu sind die Frauen schließlich da.“

„Gut, dass ihr sie dabeihabt, auf einer langen Fahrt ist es immer gut, wenn lecker gekocht wird.“

 

Vor ungefähr einem Jahr haben wir uns die ersten Male mit dem Thema „Segeln“ beschäftigt, haben ein Transportmittel gesucht, mit dem wir uns die Welt anschauen können, sind ohne es explizit anzustreben in eine neue Nische gerutscht, die ab nun für ein paar Jahre Teil unseres Lebens sein soll. Eine Nische, die wie alles auf der Welt Sonnen- und Schattenseiten, Vor- und Nachteile hat. Man kann hier oft auf viel Hilfsbereitschaft, spannende Geschichten und Großzügigkeit zählen. Trotzdem gibt es einen Punkt, mit dem ich zuvor nicht gerechnet habe, den ich nicht erwartet habe. Wie wahrscheinlich die meisten Frauen habe auch ich zuvor schon etliche schlechte oder beängstigende Erfahrungen gemacht, die mein Geschlecht betreffen, von Sprüchen oder Reaktionen auf der Straße und in der Bahn, über Kommentare und Nachrichten über soziale Medien. Jedoch habe ich mich nie plötzlich so häufig in Situationen wiedergefunden, in denen ich einfach nur sprachlos über die sexistischen Anmerkungen meines Gegenübers war, in denen ich mich und mein Geschlecht so angegriffen gefühlt habe. Ich bin lange keine Feminismus- Expertin, trotzdem möchte ich mich nun trauen etwas dazu zu sagen.

 

Viele dieser Sprüche, die diesen Post einleiten, sind während wir unsere Ideen vorgestellt und unser Boot gerefittet haben, eingetrudelt. Ist ja klar, denn es gab viel Handwerkliches zu tun und ich als einzige Frau auf der Baustelle kann schließlich noch lange nicht so viel leisten, nicht so schwer tragen und nicht so technisch denken, wie zwei starke Männer es können. Dafür hat mich der liebe Gott mit zwei kleinen flinken Händen ausgestattet, die perfekt sind, um verwinkelte Ecken auszuwischen… Es mag sein, dass ich Jonas und Thilo durch den anatomischen Unterschied unserer Körper kraftmäßig oft unterlegen bin. Und es mag auch sein, dass ich aus demselben Grund besser in die Ecken unseres winzig kleinen Zuhauses kriechen kann, um zu schauen, ob das Boot dort rostet. Trotzdem ist das kein Merkmal, auf welches man eine Frau dermaßen reduzieren kann und sie glauben lassen sollte, dass es das ist, was sie in ihrer Rolle, die sie spielt, ausmachen wird. 

 

Wahrscheinlich sind viele Äußerungen spontan und unüberlegt. Doch genau dafür schreibe ich diese Worte. Es ist wichtig, dass wir alle mehr darüber nachdenken, bevor wir sprechen. Denn Worte können weh tun, sie können Zweifel auslösen und dem Selbstvertrauen Schaden zufügen, ohne das der, der sie in einem kleinen Nebensatz erwähnt hat, noch lange darüber nachdenkt, was sie eventuell angerichtet haben. 

Es ist für mich eine völlig neue Situation, wenn ich nach einem langen Refit-Tag, in dem ich mehrere Stunden über Kopf das Boot lackiert habe, gefragt werde, ob ich denn die bin, die als Maskottchen mitkommen wird. Und wenn ich dann so perplex bin, dass ich meine Schlagfertigkeit verliere und nichts dazu sagen kann, so wird mein Gegenüber an dem Tag nach Hause gehen und sich fragen, warum über seinen spontanen Witz denn nicht gelacht wurde. 

 

Lange habe ich darüber nachgedacht, ob es wichtig genug ist darüber zu schreiben. Und ich habe aus Angst, wie wohl reagiert wird, dieses Thema immer weiter vor mir hergeschoben. Trotzdem ließ es mich nicht los, denn Aussagen wie diese machen mich wütend und traurig zugleich. Wütend, weil ich nicht verstehen kann, wie man so unsensibel mit seinem Gegenüber sprechen kann und traurig, weil ich weiß, dass solche Worte Kleinigkeiten sind unter den Dingen die viele Frauen in dieser Welt erleben müssen. Und gerade aus dem Grund ist es wichtig, nicht zu schweigen. Denn ich bin mir dessen bewusst, dass sich unser Denken mit der Zeit immer weiterentwickelt, und dass ich bezüglich dieses Themas eine völlig neue und andere Einstellung habe, als jemand der schon 50 Jahre länger auf dieser Welt lebt. Trotzdem sollten wir genau deswegen darauf aufmerksam machen, denn auch ältere Menschen können noch etwas dazu lernen und ich bin mir sicher, dass diese Lernkurve nicht nur alte Menschen zu bewältigen haben. 

 

Oft habe ich beobachtet, dass Aussagen, „Witze“ und Bemerkungen dieser Art sich in den Alltag vieler Menschen integriert haben. Dass sie hingenommen werden oder dass man vielleicht nur in einer stillen Sekunde klammheimlich traurig oder wütend darüber wird. Fast so, als wäre es unfreundlich zu sagen, dass man den ganzen Tag sein Bestes gegeben hat und nicht nur als Maskottchen mitreisen wird, sondern als vollwertiges Reisemitglied dabei ist und mithilft. 

Doch so kann man dem nicht entgegenwirken. Das Einzige, was hilft, ist sich nicht unterkriegen zu lassen und zu reden. Ich ärgere mich oft darüber, in diesen Situationen nicht meinen Mund aufbekommen zu haben, doch nachdem wir schon bis hier hingekommen sind, etwas was viele für unrealistisch gehalten haben, konnte ich viel Mut und Selbstvertrauen sammeln und möchte gerne nachholen, was ich versäumt habe. 

 

Ich möchte niemanden kritisieren, der mal etwas Falsches gesagt hat, dem vielleicht mal falsche Worte rausgerutscht sind. Wir alle sind nicht perfekt und manchmal sagt man Dinge, die man vielleicht lieber nicht gesagt hätte. Es geht mir um das Überdenken solcher Handlungen, um das Bewusstsein, dass solche Worte Träume zerstören können. Deshalb hier ein paar Beispiele die mir in unserem Alltag auf dem Boot begegnen und die meine Meinung verdeutlichen sollen.

 

Zu Beginn der Reise haben wir alle drei oft darauf geachtet nicht zu filmen, wie ich etwas koche oder etwas aufräume, aus dem Grund, keine Klischees bedienen zu wollen. Mit der Zeit habe ich mich gefragt, warum wir das eigentlich machen. Lieber sollen doch die Menschen, die uns dort draußen verfolgen verstehen, dass ich nicht in der Küche stehe, weil ich als Frau dorthin gehöre und Jonas und Thilo genauso wenig während dessen am Boot werkeln, weil sie das als Männer zu tun haben. Wir haben mit der Zeit rausgefunden, was wir unterwegs am liebsten tun, um im Alltag mitzuhelfen und nur weil das gerade in das Klischeebild der Männer- und Frauenrollen passt, heißt das nicht, dass es auch andersherum stattfinden könnte. Ich kenne genug Männer, die viel lieber in der Küche etwas zu Essen kochen würden und auch genug Frauen, die überhaupt keinen Spaß daran hätten. Natürlich muss man auch mal Dinge tun, die man nicht so gerne macht, doch wenn alle Hunger haben aber draußen auch noch etwas am Boot zu tun ist, aus welchem Grund sollten wir in dem Moment nicht die Aufgabe erledigen, die wir lieber machen, die Aufgabenverteilung ändern, nur um nicht in der Öffentlichkeit ein Klischee zu bedienen? 

 

Etwas, was auch anscheinend viel diskutiert wird, und viele unbedachte Worte hervorbringt, ist unsere Konstellation. Natürlich ist was wichtig und interessant zu wissen, wie wir zueinanderstehen und wie das funktioniert. Trotzdem ist eine Frau auch in dieser Situation kein Objekt oder ein Gewinngegenstand. Oft wurde gefragt, „ob die Frau unter den Männern geteilt wird“. Vielleicht nur ungünstig ausgedrückt oder schlecht nachgedacht. Hier wird jedoch vergessen, dass auch ich als Frau ein Individuum bin, welches einen eigenen Willen, eine eigene Meinung und eine eigene Handlungskraft hat und kein Stück Kuchen bin, welches irgendwie aufgeteilt werden müsste. 

 

Im Namen vieler anderer Frauen möchte ich hiermit gerne sagen, dass wir im 21. Jahrhundert leben, in dem die Verdinglichung einer Frau, wie zum Beispiel die Bezeichnung ihrer Person als Maskottchen, nicht mehr akzeptabel ist, in der genau in diesem Moment ein Umdenken erforderlich ist, in der gesagt werden muss, dass wir nicht darüber lachen können, nicht weil wir verklemmt oder schüchtern sind, sondern einfach nur weil es nicht zum Lachen, sondern tief verletztend und entmutigend ist. Ich selbst hoffe, bis so etwas noch mal vorkommt, genug Mut gesammelt zu haben, um reflektiert antworten zu können und hoffe auch etwas davon an euch abgeben zu können, damit auch ihr eure Wut über unbedachte Worte nicht verstecken müsst. Es handelt sich nicht um deine Schwäche, sondern um die deines Gegenübers, wenn er dir weißmachen will, dass du etwas nicht oder schlechter schaffen kannst, nur weil er deine Kompetenzen auf sein Klischeedenken reduziert.  Es ist so wichtig, sich das jeden Tag bewusst zu machen, denn um ihn diese Gedankengrenzen überwinden zu lassen, braucht er starke Stimmen, die ihm dabei helfen. 

 

 

„Don’t let anyone tell you what you can and can’t do or achieve. Do what you want to do and be who you want to be. Just encourage and include each other, don’t ostracize the gender in front of you.“ ~ Emma Watson 

1F2D9081-8597-42C1-A4D7-1F1315BEE23E.jpeg
LeonieWie ich mit Jonas und Thilo das bis jetzt größte Abenteuer meines Lebens starte und euch auf meiner Gedankenreise mitnehme.↓Wir segeln um die Welt ↓

Leonie

Wie ich mit Jonas und Thilo das bis jetzt größte Abenteuer meines Lebens starte und euch auf meiner Gedankenreise mitnehme.

↓Wir segeln um die Welt ↓


Du kannst uns und unser Projekt auch auf Youtube verfolgen